Im Rahmen seiner Reihe „Missing Link“ dokumentierte Heise Online in dem Beitrag „Musik ohne Musiker? KI schwingt den Taktstock“ ↑ unlängst eine ganze Reihe von aktuellen Aktivitäten, Musik durch Computer erzeugen zu lassen. Durch den Einsatz von Verfahren der „Künstlichen Intelligenz (KI)“ hat die Digitalisierungswelle im Bereich der Musikerzeugung noch einmal eine ganz neue Qualität erreicht. Natürlich gehe es ausschließlich darum, neue Ausdrucksmöglichkeiten für Musiker zu schaffen, wird die Musikindustrie (mitsamt ihrer wissenschaftlichen Zuarbeiter) nicht müde zu betonen.
In der Tendenz lässt sich jedoch kaum kaschieren, dass es bei all den skizzierten Projekten letztlich doch darum zu gehen scheint, Musiker, Komponisten und Texter so weit wie möglich überflüssig zu machen, um die Einnahmen aus Musikverkäufen auf noch viel weniger Köpfe verteilen zu können. Warum auch sonst werden solch teilweise recht kostspieligen Forschungen wohl durchgeführt?
Doch siehe da – in all den beschriebenen „Grausamkeiten“ taucht auch ein Statement auf, dass der „Underground“ (auch wenn er hier nicht so genannt wird), schon die nötigen Gegenbewegungen hervorbringen werde:
„Die große Angst, dass gute Musik vom Computer zerstört wird, kann auch Jovanka v. Wilsdorf nicht teilen. Mit dem Heim-PC und dem Keyboard habe sich der Stil von Musik zwar geändert, echte Instrumente hätten aber auch ein Revival erlebt, weiß die Songschreiberin, die für BMG Rights Management auf der Talentsuche ist. Mit KI werde nun in dem Bereich sicher „viel Schrott“ herauskommen ohne echte Schaffensfreude. Dazu träten aber mehr Optionen, das eigene Leben mit ständig neuen „Sound-Ästhetiken“ zu untermalen. Außerdem sei die Gegenbewegung unvermeidlich, die auf den „echten Human Touch“ setzen werde“ (Missing Link: Musik ohne Musiker? KI schwingt den Taktstock, Heise Online, 25.11.2018) ↑.
Die Werte und Maßstäbe des (musikalischen) Undergrounds, der ja auf die zahllosen Sixties-Bands mit ihrer antibürgerlichen Grundhaltung, ihren oft anarchischen Texten und ihres oft auch musikalisch provozierend zur Schau gestellten Nonkonformismus zurückzuführen ist, sind tatsächlich heute so lebendig wie eh und je und trotzen dem Boykott der Medien mit intensiver, echter, magischer Musik.
Nachschub für die lebenserhaltende „tägliche Dosis Underground“ gibt es nach wie vor in Hülle und Fülle. Das erste Beispiel entstammt zugebenermaßen nicht wirklich dem Underground, denn Joe Perry, Gitarrist und Sänger von Aerosmith, ist sicherlich kein Unbekannter mehr. Sein aktuelles Album „Sweetzerland Manifesto“ ist aber ein (im positiven Sinne) so altmodisches Werk geworden, dass es allein schon wegen vermutlich überschaubarer Verkaufszahlen zum heutigen Underground zählen dürfte. Was für ein saftiges Stück „Classic Rock“, das in den 1970er Jahren sicher viele Freund*innen gefunden hätte, Futter für Rock-Radios und Underground-Diskos, wenn es solche denn noch geben würde. Nicht vergessen: diese Musik ist nicht für Säusellautstärke gedacht! 🙂
Die dänische Band „Mojo Makers“ mischt bluesige Sounds so gekonnt und so intensiv mit rockigen und souligen Elementen, dass sie von einigen Kritikern schon als eine der innovativsten neuen Bands bezeichnet wird. In der Tat wäre es ein Frevel, ihre aktuelle LP „Songs Of The Sirens“ nur einmal zu hören, denn die ganzen feinen Facetten und Details ihrer Musik machen auch das zehn- oder zwanzigmalige Hören dieser Platte zu einem Erlebnis.
Ron Spielman ist definitiv einer der besten unbekannten Gitarristen in Deutschland. „Spielman in Bad Company“ nennt sich die Band, mit der er 2016 das Album „Sweet Songs For The Dying“ eingespielt hat. Was man mit dem doch eigentlich betagten „Bluesrock“ doch noch so alles anstellen kann, ist jede Aufmerksamkeit wert …
Wie schön und belebend elektronische Musik jenseits von Tekkno und Disco-Pop auch heute noch sein kann, zeigen abschließend die Bands „Not Waving“ und „Free / Slope“.
(Erstveröffentlichung 03.12.2018 auf www.dj-night-jever.de ↗)