Die Zukunft des Rock wird (vielleicht) weiblich …
Das „Classic-Rock“ ↗ Magazin beschrieb im ersten Teil seiner Serie „Rock in der Krise“ (06/2014) so etwas wie den aktuellen Status der Rockmusik und fragte dabei besorgt „Ist der Rock am Ende?“
Nicht ganz ohne Grund: die Zeit der physischen Tonträger neigt sich wohl dem Ende entgegen, die Verkäufe von Alben sinken seit Jahren, die angesagten Headliner der großen Festivals werden immer älter und die Musikindustrie gefällt sich immer noch darin, die Benutzer des Internets als potenzielle Kriminelle wahrzunehmen.
Der zweite Teil (08/2014) geht dann eher der Frage nach, ob wir wirklich Zeugen des Endes der Rockmusik werden oder nicht vielmehr eines neuen Anfangs. U.a. geht es dabei um die Frage, wie Rockmusiker heute noch und trotz des fundamentalen gesellschaftlichen und medialen Wandels die Öffentlichkeit erreichen können. Mittendrin wundert sich Polly Glass in ihrem Beitrag „Die Zukunft des Rock ist … weiblich“ darüber, dass Frauen im Rock-Genre immer noch sehr schwach vertreten sind, wo doch z.B. die Pop- und die Countrymusik heutzutage von Frauen dominiert würden.
In der Tat hatten und haben z.T. noch heute Frauen in der Rockmusik einen schweren Stand (›girls who play guitars‹ – Frauen in der Indierock-Szene ↗, WikiProjekt Frauen in Gesellschaftsbereichen/Frauen in der Rockmusik ↗). Natürlich spielen dabei die traditionellen Geschlechterrollen immer noch eine große Rolle, wie der Beitrag Über Gitarrenlärm und warum dieser seltener von Frauen kommt – oder etwa nicht? ↗ auf dem Blog „Mädchenmusik“ treffend beschreibt. Gegen die Posen der „breitbeinigen Mattenhengste“ (Rocko Schamoni, Dorfpunks) vor und hinter der Bühne anzutreten erfordert viel Mut und Stehvermögen.
Meines Erachtens hat die Rockmusik ganz sicher kein Qualitäts-, sondern eher ein Aufmerksamkeits- bzw. Präsenzproblem. Wie sonst kann es angehen, dass gerade in den letzten Jahren eine Vielzahl absolut hochkarätiger Platten erschienen sind und viele neue sehr gute Musikerinnen und Musiker die Bühnen betreten haben – und kaum ein Mensch bekommt es mit, nicht einmal diejenigen, die ansonsten immer ein Auge bzw. Ohr für gute Musik haben.
Dagegen hilft wohl nur, für ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zu sorgen … Für diejenigen, die sich gerne in Bücher vertiefen, ist aktuell im Rock’n’Pop-Museum Gronau ein neues Buch erschienen – „ShePOP – Frauen.Macht.Musik! Herausgeber: rock’n’popmuseum / Thomas Mania, Sonja Eismann, Christoph Jacke, Monika Bloss und Susanne Binas-Preisendörfer. Mit Beiträgen von u.a. Sheila Whiteley, Anette Baldauf & Katharina Weingartner, Rosa Reitsamer, Birgit Richard und Diedrich Diederichsen. Telos Verlag ISBN-13/EAN:978-3933060419 / 17,95 €“ – das nicht die Geschichte der Frauen in der Rockmusik erzählen kann und will, aber Schlaglichter wirft „auf charakteristische Geschichten von Frauen in den unterschiedlichen Phasen, Genres und Arbeits- bzw. Kunstbedingungen, von Sängerinnen und Tänzerinnen des 18. und 19. Jahrhunderts über Damenkapellen, Punk und Riot Grrrls, DJanes bis zu Auflösungsversuchen der kulturellen Kategorie Geschlecht wie bei Queer oder im Gaga-Feminism“.
Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf den Beitrag Frauen in Rock und Pop ↗ von „rezensator.de“, der eine gute, wenn auch noch recht unvollständige Liste von Musikerinnen präsentiert.
Noch besser aber ist es, die Musik zu hören, die heute von „gitarrenschwenkenden Frauen“ gemacht wird, denn da lauern Überraschungen der allerfeinsten Art. Die Rockmusik lebt – wie sehr, dass zeigen z.B. Orianthi Panagaris und Samantha Fish, die hier „Voodoo Child“ von Jimi Hendrix bzw. „War Pigs“ von Black Sabbath so intensiv spielen, als hätten sie selbst gerade erst diese Songs geschrieben. Unglaublich … Joanne Shaw Taylor und Ana Popovic dagegen sind zwei große Hoffnungen des Blues, die mit „Time Has Come“ und „Can’t You See What You’re Doing To Me“ verloren geglaubte Traditionen mit neuem Leben füllen. Den Schluß markieren dann Deap Vally mit ihrem Höllenlärm „Baby I Call Hell“ und die „Girl Band“ mit Eliana Cargnelutti, Sadie Johnson & Heather Crosse (Ruf Records). Play it all and play it LOUD!
(Erstveröffentlichung 04.10.2014 auf www.dj-night-jever.de ↗)