Das ist schon eine kleine Sensation: zum ersten Mal überhaupt kündigt das spanische Primavera Sound Festival ↗ für 2019 einen Frauenanteil unter den Künstler*innen an, der über 50 Prozent liegt. Das Festival im Parc del Fòrum in Barcelona gilt als das hipste Event dieser Art in Europa und deren Macherinnen und Macher sind bekannt dafür, eine gute Nase zu haben für neue Musik und Trends und ein außerordentlich breites musikalisches Spektrum zu bieten.
Und selbst die Veranstalter dieses Festivals hatten bzw. haben Probleme damit, ein solches „Line-Up“ zusammenzustellen. „Wenn man sich das Primavera-Line-up anschaut, fragt man sich, warum es den Booking-Teams so vieler anderer Festivals immer noch so schwer zu fallen scheint. ‚Ich würde immer sagen: Es geht, wenn man es will. Vielleicht braucht es ein bisschen mehr Zeit, weil viele Booking-Agenturen weniger Frauen betreuen, und die Suche länger dauert‘, sagt Marta. ‚Natürlich ist es für Festivals, die sich auf bestimmte Genres wie zum Beispiel Heavy Metal und Rock fokussieren oft tatsächlich schwerer. Ich bin mir sicher, dass in diesen Fällen große ökonomische Ängste mitschwingen. Unser Vorteil ist, dass wir ein so eklektisches Line-up haben'“ (Primavera Sound Festival 2019: Der perfekte Moment für Gender-Equality, Musikexpress, 04.03.2019) ↗.
Und tatsächlich besteht das Problem ja nicht darin, dass es die „girls with guitars“ nicht gibt, sondern dass man nichts von ihnen erfährt, sie nicht in den Rock-Lexikas stehen, sie keine Fürsprecher haben. Dieses Manko zieht sich durch die gesamte Rockgeschichte, von den Anfängen bis in die heutige Zeit.
Anlass genug, den geneigten Rockfans (denen es egal ist, ob sie einer weiblichen oder männlichen Band zusehen oder zuhören) wieder ein paar Beispiele zu bieten, dass es sie eben doch gegeben hat bzw. gibt, die „girls with guitar“.
Emily Remler – Softly As In A Morning Sunrise
Emily Remler war ein musikalisches Ausnahmetalent, die schon in jungen Jahren begann, Gitarre zu spielen, anfangs Folksongs, später Rock von Jimi Hendrix und Johnny Winter. Schließlich wandte sie sich der Jazzmusik zu und entwickelte einen ganz besonderen, ein wenig an Wes Montgomery erinnernden, weichen und emotionalen Gitarrensound, der im Ohr hängen bleibt. Die junge Musikerin geriet leider in eine fatale Heroinabhängigkeit und starb bereits 1990 mit 32 Jahren an Herzversagen. Ein großer Verlust.
Mother Superior – Love the One You’re With / Mood Merchant
Eine Frauenband aus Großbritannien, die typischen 70er Jahre ProgRock spielte, aber mit ihrer einzigen LP „Lady Madonna“ von 1975 keinen Erfolg erzielte und sich kurz darauf auflöste. Wirklich schade.
Joanna Connor – Walkin‘ Blues
Die Vetreterin eines rauhen Chicago Blues ist in den USA eine Größe und tritt mit vielen (bekannteren) männlichen Kollegen sowie ihrer eigenen Band auch auf großen Festivals auf. Das fetzt.
Tash Sultana – Jungle
Die junge Australierin ist ein Musterbeispiel für junge Talente, die unbeirrt ihren Weg gehen. Sie erlitt mit 17 Jahren unter dem Einfluss von „Magic Mushrooms“ eine drogeninduzierte Psychose, die sie für 9 Monate in eine Therapie führte. Danach half ihr vor allem die Musik, wieder zu sich selbst zu finden. In dieser Zeit brachte sie sich auch das Musikmachen mit Loopings bei. Da Tash Sultana nach der Schule keine Lust auf einen normalen Job hatte, begann sie mit kleinen Auftritten auf der Straße eigenes Geld zu verdienen. Diese Art des Lebens und Musizierens wurde von ihr nach und nach professionalisiert. Ihren Multi-Genre-Sound aus Electronic Indie, Folk, Jazz, Reggae, Rock und Soul setzte sie mit vielen Instrumenten, die sie selbst und alleine spielt, auch schon auf großen Festivals um. Ein Geheimtipp mit großer Zukunft.
(Erstveröffentlichung 06.04.2019 auf www.dj-night-jever.de ↗)